Seite 1 des ersten Schuljahresberichts 1913/14

Gedruckte Jahresberichte höherer Schulen sind seit Jahrhunderten eine feste Tradition im deutschen Kulturraum. So wundert es nicht, dass der zum Schulleiter bestimmte dirigierende Oberlehrer Martin Treutler bereits am Ende des Schuljahres 1913/14 den 1. Jahresbericht über die Realschule mit Progymnasium i. E. zu Schwarzenberg i. Sa. vorlegte.

Das erste Kapitel des zehn Seiten umfassenden Heftes widmete er der Schulgründung. Bereits seit 1849 wurde zunächst in verschiedenen Gebäuden in der Stadt, später in einem Haus am Oberen Tor und seit 1889 im Schulneubau an der Erlaer Straße eine Selektenschule betrieben und damit dem Wunsch der Eltern aus Schwarzenberg und den umliegenden Gemeinden nach einer höheren Schulbildung Rechnung getragen. Nach mehreren vergeblichen Anläufen begann der Aufbau einer Realschule zu Ostern 1910 mit zwei an die Selektenschule angegliederten Realschulklassen und der Anstellung eines neuen Lehrers. Nach und nach stießen weitere Klassen und Kollegen dazu, bis das Königliche Kultusministerium am 27. Januar 1913 die Selbstständigkeit der Einrichtung als Realschule mit Progymnasium im Entstehen bestätigte.

Das Schuljahr 1913/14 begann dem zweiten Kapitel zufolge am 1. April 1913 mit einer Eröffnungsfeier im Saal der Selektenschule mit Chorgesang, Gebet sowie Ansprachen des Bürgermeisters und des Schulleiters vor großem Publikum. Sieben Lehrer, deren Lebensläufe im Jahresbericht vorgestellt wurden, und 106 Schüler in 5 Realschulklassen und einer Progymnasialklasse gingen am Tag darauf um sieben Uhr zum ersten Mal in den Unterricht. Der Verlauf des Schuljahrs war geprägt von zahlreichen Ereignissen und Höhepunkten im Zeitgeist des Kaiserreichs am Vorabend des Ersten Weltkriegs:

  • 24. Mai 1913: Vorfeier des Geburtstags von König Friedrich August III. mit Gesang des Schulchores, Deklamationen und Festrede des dirigierenden Oberlehrers zum Thema „Sachsen und sein König im Jahre 1813“
  • 28. Mai 1913: gesetzliche Wiederimpfung von 28 Schülern durch Bezirksarzt Dr. Tietze
  • 25. Mai bis 1. Juni 1913: öffentliche Ausstellung künstlerischen Wandschmucks und „guter billiger Bücher“ durch die Königliche Amtshauptmannschaft im Schulgebäude
  • 16. Juni 1913: „öffentlicher Aktus“ am Tag nach dem 25. Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelms II. mit Gesang, Deklamationen und Festrede des Lehrers Dr. Paul Gaudlitz zum Thema „Kaiser Wilhelm II. und das Größere Deutschland“
  • 28. Juni 1913: Schulausflüge auf den Peindlberg in Böhmen (Klassen 2 und 3), auf den Keilberg (Klasse 5), auf den Auersberg (Klassen 6 und VI) sowie zur Brettmühle bei Zwönitz und Stollberg (Klasse 4)
  • 12. Juli bis 14. August 1913: große Ferien
  • 26. August 1913: im Anschluss an die Morgenandacht Feier des 100. Todestages von Theodor Körner mit Vortrag eines Lebensbildes durch Karl Knopf und Rezitationen bzw. Gesang von Gedichten und Liedern
  • 2. September 1913: Wanderung der Schüler und Lehrer zur Waldwiese Silberkammer am Fuß der Morgenleithe anlässlich des Sedantags; gemeinsamer Gesang, Gedichtvortrag durch einen Schüler und Festansprache des Lehrers Friedrich Freitag
  • 6. September 1913: Besuch des Rezitators Maurice mit Vortrag Reuter’scher Dichtungen
  • 26. September 1913: Schluss des Sommerhalbjahres
  • Michaelisferienwoche 1913: Spielleiterkursus mit Jugendwettspielen durch die Königliche Amtshauptmannschaft und die Bezirksschulinspektion; mehrere erste Preise für Schwarzenberger Realschüler
  • 6. Oktober 1913: Beginn des Winterhalbjahrs; Übernahme des Konfirmandenunterrichts durch Pfarrer Haubold
  • 18. Oktober 1913: öffentliche Gedenkfeier der Realschule mit Progymnasium im Entstehen im Ratskeller anlässlich der 100. Wiederkehr des Tages der Völkerschlacht mit Gesang, Schülerdeklamationen, Theaterstück „Josef Heyderich oder Deutsche Treue“ und Festrede durch den Lehrer Richard Müller über die Ereignisse 1813
  • 19. Oktober 1913: Zeppelintag: Das Luftschiff Sachsen über Schwarzenberg „erregte bei jung und alt helle Begeisterung“
  • 14. Oktober 1913: Superintendent Thomas hospitiert in sämtlichen Klassen den Religionsunterricht
  • 23. Dezember 1913: Abschluss des Kalenderjahrs mit nichtöffentlicher Weihnachtsfeier
  • 7. Januar 1914: Unterrichtsbeginn im neuen Kalenderjahr
  • 27. Januar 1914: „öffentlicher Aktus“ am Geburtstag Kaiser Wilhelms II. mit Gesang, Deklamationen und Festrede des Lehrers Paul Weiße über die deutschen Kolonien

Ein wichtiger Bestandteil des Jahresberichts war die Ordnung der mündlichen Osterprüfungen, die ausdrücklich öffentlich waren und an denen Vertreter der Behörden, die Familien der Schüler und Freunden der Schule teilnehmen konnten. Gleichzeitig lud Treutler zur Aufnahmeprüfung der angemeldeten Schüler ein, die im Jahr 1914 am 20. April im für die Selektenschule vorgesehenen Teil des Schulhauses an der Erlaer Straße abgenommen wurden.

Martin Treuler beendete seinen Bericht mit einigen Personalangelegenheiten: Er selbst war zum neuen Schuljahr als Direktor ernannt worden, während die Oberlehrer Sättler und Fröhlich die Schule verließen. Neu zum Kollegium stieß der Realschuloberlehrer Hillig und für Ostern 1915 war die Übernahme des Selektenschuldirektors Härtig vorgesehen.

Im Hinblick auf ein eigenes Schulgebäude heißt es außerdem:

Infolge vieler unvorhergesehener Schwierigkeiten bezüglich der Platzfrage konnten die Vorarbeiten zum Schulneubau nicht in der gewünschten Weise gefördert werden, doch ist bestimmt zu erwarten, daß die Schule ein eigenes schönes Heim am Becherberge beziehen wird.

Es dauerte noch bis 1916, ehe der Schulneubau am Becherberg – das heutige Haus 1 des Bertolt-Brecht-Gymnasiums – tatsächlich eingeweiht werden konnte.